1.2.2014 (khd).
In der EU-Richtlinie 92/43/EWG (
FFH-Richtlinie) sind Ausnahmen von den strengen Artenschutz-Schutzregelungen in
den Artikeln 12 + 13 eigentlich nicht angelegt. Das Bundesnaturschutzgesetz von 2009 bildet diese
Artikel im Abschnitt Besonderer Artenschutz im § 44 Abs. 1
BNatSchG ab. Eingeführt wurde aber im
§ 44 Abs. 5 (arg verklausuliert) die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen
Verbotstatbestände des Absatzes 1 durch besondere FFH-Ausgleichs- Maßnahmen auszuhebeln,
um doch noch Eingriffe in die Natur (z. B. ein Bebauen) erlauben zu können. Es ist derzeit
unklar, ob es hierbei (noch) einen Dissens mit der EU gibt.
Welche Artenschutz-Prüfungen sind erforderlich?
12.2.2014 (khd).
Soll in einem von der Natur geprägten Gebiet eingegriffen (z. B. gebaut) werden, bei dem der
Verdacht auf vorhandene FFH-Arten besteht, dann muß frühzeitig vor dem geplanten Eingriff
abgeklärt werden:
- Untersuchung des Gebiets auf vorhandene Tier- und
Pflanzen-Arten. Die Erfassung der Arten muß so
vollständig wie irgend möglich sein, um ökologische
Zusammenhänge (Vernetzungen) erkennen zu können.
- Falls dabei FFH-Arten festgestellt werden:
Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung
(FFH-VP) zur Untersuchung der Konformität der
Bauabsicht mit der FFH-Richtlinie 92/43/EWG
von 1992 in der aktuell geltenden Fassung.
Ein Umweltbericht nach § 2 Abs. 4
BauGB kann diese Prüfung nicht ersetzen.
- Dann: Orientierende Untersuchung der Nachbarschaft des
Naturgebiets zur Feststellung, ob es dort Ausweich-
Habitate für bestimmte FFH-Arten geben könnte.
- Dann: Spezielle artenschutzrechtliche
Prüfung (SaP) durchführen. Darin sollten
bereits mögliche Ausgleichs-Maßnahmen aufgezeigt
und näher auf ihre Wirksamkeit untersucht werden.
Es versteht sich wohl von sebst, daß diese Untersuchungen nur von wirklich biologisch
qualifizierten (und unbestechlichen) Fachleuten nach rein wiss. Kriterien vorgenommen werden
können. Bei größeren Naturgebieten sind zudem die Gemeinden sehr gut beraten, diese
Prüfungen in einem gesetzlichen Landschaftsplan-Verfahren durchzuführen, da in diesem auch
noch andere wichtige ökologische Aspekte planerisch bewältigt werden können. Ein
sich anschließendes Bebauungsplan-Verfahren würde sich dadurch wesentlich
übersichtlicher gestalten.
Und in Lichterfelde-Süd
Im Rahmen der durch die CA-Immo und Groth-Gruppe für Lichterfelde-Süd (Parks Range) seit
2010 betriebenen Vorplanung sind die genannten Prüfungen nach Punkt 24 bislang nicht
erfolgt, zumindest ist davon in der Öffentlichkeit bis Ende Januar 2014 nichts bekannt
geworden. Der Punkt 1 ist derzeit nur unvollständig erfolgt, denn in Lichterfelde-Süd
werden noch weitere FFH-Arten vermutet (siehe:
Tabelle),
die zu schützen wären.
FFH-Ausgleichs-Maßnahmen
13.2.2014 (khd).
Zerstörungen von Habitaten (Lebensstätten) der FFH-Arten sind heute nur noch denkbar, wenn
der Eingriff (z. B. eine Bebauung) einem höherwertigen Ziel des Gemeinwohls (des
öffentlichen Interesses) dient und im Einzelfall ganz spezielle
artenschutzrechtliche Ausgleichs- Maßnahmen möglich sind und auch durchgeführt
werden können. Im Unterschied zu normalen Ausgleichs-Maßnahmen nach §
15 BNatSchG sind das Maßnahmen, die...
- vor dem Eingriff (Bauen) erfolgen müssen
(vorgezogener Ausgleich), denn
- mittels eines begleitenden Monitoring muß zunächst
- der biologische Erfolg der Maßnahme nachgewiesen werden,
- da dabei keine Prognose (auf dem Papier) akzeptiert wird, und
das heißt:
- Die Artenschutz-Maßnahme muß vor dem Baubeginn voll wirksam sein.
Man unterscheidet im FFH-Artenschutz 2 Arten von Ausgleichs-Maßnahmen:
- CEF-Maßnahmen (Continuous Ecological Functionality-measure):
Mit diesen Maßnahmen soll die ökologische Kontinuität einer zu schützenden Art
in räumlicher Nähe zum Ursprungshabitat erhalten werden. Gesetzlich geregelt sind solche
Maßnahmen in § 44 Abs. 5 in Verbindung mit § 15 BNatSchG
(Eingriffsregelung).
- FCS-Maßnahmen (Favourable Conservation Status):
Das sind rein kompensatorische Maßnahmen, die meist dann
angewandt werden, wenn die Entwicklung einer vorgezogenen
CEF-Maßnahme zu lange dauern würde.
Leben in einem Naturgebiet mehrere nach den EU-Richtlinien (FFH + Vogelschutz) streng
geschützte Arten, dann muß für jede einzelne Art eine ihr angemessene und wirksame
Maßnahme zum dauerhaften Schutz ergriffen werden. Für die Auswahl und Realisierung einer
Erfolg versprechenden Schutzmaßnahme ist sehr viel (Erfahrungs-)Wissen notwendig. Das Land
Nordrhein-Westfalen (NRW) ließ in einer umfangreichen Studie Artenschutz- Maßnahmen
untersuchen. Im Februar 2013 wurde dieser Leitfaden unter dem Titel
Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen publiziert. Auch wenn
sich dieser Leitfaden auf die Situation in NRW bezieht, können die vielen nützlichen
Informationen und Hinweise zum Was beim Artenschutz geht, und was nicht auch anderenorts
sehr hilfreich sein.
Und in Lichterfelde-Süd
Es wird deutlich geworden sein, daß gute FFH-Ausgleichs-Maßnahmen teuer sind und viel
Vorbereitungszeit benötigen. Bei manchen muß sogar Jahre gewartet werden, bis mit dem
Bauen begonnen werden kann. Deshalb ist die Maßnahme Nutzungsverzicht
(Bauverzicht) sehr oft die ökonomisch sinnvollste Wahl, zumal wenn der angegebene
Gemeinwohlgrund Wohnungsnot kaum (juristisch) belastbar ist. Aber Bezirksamt und
Investor Klaus Groth (gefühltes Grün) haben der wertvollen Natur in
Lichterfelde-Süd Anfang 2013 den totalen Krieg erklärt und sinnen bereits über
Zwangsumsiedlungen von Arten nach.
Artenschutz für Lichterfelde ausgehebelt
16.2.2014 (khd). Angesichts der dargestellten Artenschutz-Fakten wird bei
den Planungen für Lichterfelde-Süd die bereits im Portal-FORUM
(LF 226) angesprochene
Riesen-Schweinerei nun besonders deutlich: Kurz vor Weihnachten 2012 wird das vom
Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf in Auftrag gegebene Schutzgebiets-Gutachten von FUGMANN/JANOTTA
fertig. Es enthält eine klare Feststellung zur Bebaubarkeit (16 ha). Aber nur gut 3 Monate
später schließt bereits das gleiche Bezirksamt mit der Groth-Gruppe (Investor) eine
Vereinbarung (auch) über die Bebaubarkeit von 39 ha des Areals ab.
Es ist fachlich, sachlich unmöglich, daß in dieser kurzen Zeit von einem Vierteljahr ein
wirksames Artenschutz-Konzept für die in Lichterfelde-Süd
nachgewiesenen FFH-Arten entwickelt werden
konnte. Aber allein zur Beurteilung der Bebaubarkeit wäre das dringend notwendig gewesen.
Sogar die BVV fiel auf diesen Schwindel von CDU- und GRÜNEN-Politikern herein, als sie diesen
Letter of Intent
einfach durchwinkten.
Dieses naturfeindliche Bezirksamts-Vorgehen impliziert vermutlich eine Vorab-Zusage an den Investor,
später sämtliche Ausnahme-Genehmigungen zum Zerstören von FFH-Habitaten
geflissentlich erteilen zu wollen. Denn nur mit einem solchen Absolutions-Versprechen konnte man
bereits im April 2013 wissen, daß in Lichterfelde-Süd auf jeden Fall 39 Hektar bebaut
werden können.
Es ist sogar gut möglich, daß die Naturschutzbehörde bereits hinter den Kulissen
sämtliche Natur-Eingriffe vorab als ‚vertrauensbildende Maßnahme‘
gegenüber der Groth-Gruppe genehmigt hat. Und sollte das inzwischen geschehen sein,
dann wäre das ein enormer Vertrauensbruch gegenüber den Bürgern. In einem
öffentlichen Landschaftsplan- Verfahren hätten davon zumindest die
Naturschutzverbände rechtzeitig erfahren.
Erste Erkenntnisse zur Zauneidechsen-Frage
26.2.2014 (khd).
Es ist nicht bekannt, ob sich bereits die Parks-Range-Verplaner am 30. Januar 2013 Rat fürs
Natur-Liquidieren beim NABU-Workshop Eingriffe in Lebensräume und Populationen der Zauneidechse Erfahrungen
und Schlussfolgerungen aus der aktuellen Verfahrenspraxis in Potsdam holten. Zeitlich
passen würde es, denn um diese Zeit verhandelte die Groth-Gruppe mit dem Bezirksamt die
Bebaubarkeit des Areals südlich der Thermometer-Siedlung.
Anfang Februar tauchte jetzt im Portal-FORUM eine anonyme Empörung einer/s
WilBerg auf (
LF 265). Danach sollen demnächst in einem wie sie/er schreibt
Sonderprogramm alle Zauneidechsen in Lichterfelde-Süd eingesammelt werden und nach
Brandenburg verbracht werden. Die Zauneidechse ist eine nach EU-Recht streng geschützte
FFH-IV-Art, die überall auf dem 110-Hektar-Areal südlich der Thermometer- Siedlung
anzutreffen ist auch im Gewerbegebiet an der Réaumurstraße/Landweg.
Es wird sich dabei mit ziemlicher Sicherheit um die Planung einer vorgezogenen CEF-
Ausgleichs-Maßnahme handeln, von der wir aber noch keine Details kennen. Ein solcher
Ausgleich muß unbedingt in räumlicher Nähe zum bisherigen Habitat erfolgen. Und da
es auf Berliner Stadtgebiet keine dafür in Frage kommenden Flächen gibt, bietet es sich
an, das neue Zauneidechsen-Habitat auf die unmittelbar südlich benacbarten Osdorfer Felder zu
verlagern, die zudem in einem Brandenburger Landschaftsschutzgebiet (LSG) liegen. Allerdings
müßte das neue Habitat noch entsprechend vorbereitet werden, wobei die Pfleger des
Teltow-Park ganz sicher helfen könnten. Vorrangig wird aber zunächst sein,
vom Eigentümer der Osdorfer Felder und vom Land Brandenburg Zustimmungen zu erhalten. Zu
vermuten ist weiterhin, daß dann die Groth-Gruppe die Felder erwerben muß, bevor dort
Ausgleichs-Habitate angelegt werden können.
Nun ist es nicht damit getan, alle Eidechsen an einem Sommertag mal soeben einzusammeln und sie
einige Hundert Meter weiter südlich auf den Osdorfer Feldern wieder freizulassen. Das
könnte erst erfolgen, wenn vorher reichlich Geld ausgegeben wird, um dort von Menschenhand
einen artgemäßen neuen Lebensraum ausreichender Größe zu schaffen, was
mindestens 1 Jahr benötigen wird. In der oben zitierten NRW-Studie wird auf Seite 87 für
Zauneidechsen empfohlen: Die Anlage / Entwicklung von Extensivgrünland (Entwicklung von
Heideflächen (trockene Standorte) / Offenhaltung / Entwicklung von Sandtrockenrasen und
Halbtrockenrasen) und/oder die Anlage von Steinriegeln / Trockenmauern / Gesteins- und
Sandaufschüttungen / Anlage grabbarer sandiger Rohbodenstandorte sowie die
Steuerung der Sukzession (Nachfolge). Es bleibt also reichlich zu tun, denn derzeit
werden die Osdorfer Felder intensiv landwirtschaftlich genutzt (zuletzt nicht mehr für den
Gemüse-Anbau, sondern für den Anbau Bioenergie liefernder Pflanzen). Außerdem
muß dann noch mindestens 2 Jahre gewartet werde, um einen Erfolg der Zauneidechsen-Umsiedlung
nachweisen zu können. Und nur wenn die ganze Aktion wirklich erfolgreich war, kann dann im
alten Habitat gebaut werden.
[
NRW-Merkblatt Zauneidechse]
Bundesverwaltungsgericht setzte Maßstäbe
24.3.2014 (khd).
Wie das vollständige Einsammeln der Zauneidechsen in einem derart großen Habitat
(immerhin sind das in Lichterfelde-Süd rund 100 ha) gelingen soll, bleibt ein Rätsel.
Befragte Wissenschaftler halten das für schier unmöglich. Außerdem sei
das absichtliche Fangen und Stören von nach der europäischen
FFH-Richtlinie streng
geschützten Individuen sowieso verboten (Art. 12 Abs. 1). Viele der wertvollen Tiere
würden den damit verbundenen Stress nicht überleben.
In dieser Frage des Artenschutzes hat nun das BVerwG in Leipzig bereits im Juli 2011 bei seiner
Entscheidung zur Ortsumgehung von
Freiberg durchaus Maßstäbe gesetzt (Az: 9A 12.10). Es erklärte einen
Planfestellungsbeschluß für rechtswidrig und nichtvollziehbar (muß also deutlich
nachgebessert werden), da u.a. eine vollständige Zauneidechsen-Umsiedlung durch Einsammeln
nicht gewährleistet sei. Falls das die Steglitz-Zehlendorfer Unterste Naturschutzbehörde
bei ihren naturschutzfachlichen Regelungen für Lichterfelde-Süd nicht angemessen
berücksichtigt, hat Bauherr Klaus Groth ganz schlechte Karten.
(Rest folgt).
[khd-Kommentar im FORUM]
Und was passiert mit den anderen FFH-Arten in Lichterfelde-Süd?
28.2.2014 (khd). Ende Februar 2014 wissen wir es noch immer nicht. Bezirksamt und Investor
hüten ihr Vorgehen in Sachen Artenschutz wie ein Staatsgeheimnis, obwohl es keines ist
so man denn überhaupt ein schlüssiges Konzept hat. Es wird wohl nicht ausreichen, noch 3
Nistkästen an die auf den Osdorfer Feldern noch gar nicht vorhandenen Bäume zu
hängen, um zum Beispiel die ganz streng geschützten Fledermäuse zu retten. Und wie
man die vielen geschützten Pflanzen retten will, ist derzeit völlig unklar. Auch wird nun
verständlich, warum die beiden Vetreter der Berliner Naturschutzverbände am 23. November
fluchtartig diese Werkstatt verließen sie wollten sich nicht für eine
derart dilettantische Planung eines Großprojekts vereinnahmen lassen.
Kuriosum bei den wertvollen Arten
16.3.2014 (khd). Bei der Durchsicht der Artenbestände in Lichterfelde-Süd ist eine
Merkwürdigkeit aufgefallen. Alle neueren Gutachten betonen die ganz besondere Wirkung der
extensiven Beweidung der Landschaft durch die Pferde des Holderhofs. Dadurch sei diese weitgehend
offengehalten und das Entstehen einer großen Artenvielfalt befördert worden, heißt
es.
Ein Blick auf die Tabelle der FFH-Arten
zeigt, daß fast alle besonders wertvollen Arten bereits in den 1980er-Jahren vorkamen. Und
damals fand noch keine Pferde-Beweidung statt. Außerdem beziehen sich die Altbefunde nicht
auf den eigentlichen Übungsplatz Parks Range, da dieser damals für
Untersuchungen wg. seiner militärischen Nutzung nicht zugänglich war.
Eine Erklärung dafür ist nicht bekannt.
Erst eine genauere Analyse durch Experten könnte hier Klarheit schaffen. Sicher ist, daß
die Pferde-Beweidung die Landschaft vor dem Verwildern (Zuwachsen) bewahrte. Falsch ist es aber
andererseits davon zu sprechen (wie die Medien das gerne tun), daß in Lichterfelde-Süd
alles erst so natürlich wurde, nachdem das US-Militär Berlin 1994 verließ.
(more to-be done).