Vorkommen der Zauneidechse
in Lichterfelde-Süd
Die Zauneidechse (Lacerta agilis) ist eine nach dem Anhang IV der
FFH-Richtlinie
in der EU besonders streng geschützte Tierart überall, wo sie
vorkommt.
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Die Planung vom August 2013 sieht in den Bereichen AG die
Zerstörung von FFH-Arten vor.
[Prüfstein-Flyer dazu]
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19.6.2014 (pls). In Lichterfelde-Süd macht sich die Sorge breit, daß die
Lebensräume (Habitate) der streng geschützten FFH-Arten endgültig Bauland werden
könnten. Auf dem Parks-Range-Areal und dessen Umfeld kommen
etliche FFH-Arten vor. Um Erkenntnis
über den Fortschritt der Artennachweise zu erhalten, soll hier als Leitart die Betrachtung auf
das Vorkommen der Zauneidechse (
Lacerta agilis) beschränkt werden.
Unmittelbar nach der Vereinbarung mit dem Bezirksamt
(
Letter of
Intent vom 5. April 2013) begann die Groth-Gruppe ihr künftiges 39-Hektar-Bauland
einzumessen, zu markieren und vom zentralen Teil abzugrenzen. In der nebenstehenden Skizze ist
diese Grenze durch die dicke rote Linie angegeben. In den Randbereichen (Bauland nach Groths
Auffassung) darf auch keine Landschaftspflege durch die bewährte Pferde-Beweidung mehr
stattfinden (siehe:
Neuer
Beweidungsplan).
Dieses geschah alles, ohne daß dem von amtswegen eine Spezielle artenschutzrechtliche
Prüfung (SaP) vorausgegangen war. Wie so eine solche Prüfung aussehen sollte, zeigt
das hier dokumentierte
SaP-Beispiel aus
Baden- Württemberg. Stattdessen wurde Größe und Ort des Baulandes vorab am
grünen Tisch festgelegt, was im Mai 2013 heftige
Kritik der Berliner Naturschützer
hervorrief.
Nun gibt es im Anhang des
Fugmann/Janotta-Gutachtens vom Dezember 2012 die bislang einzige Karte,
die das Vorkommen der FFH-IV-Art Zauneidechse im Planungsgebiet dokumentiert. Die Artennachweise
erfolgten zwischen 2010 und 2012, wobei Zauneidechsen bereits in den 1980er-Jahren im Rahmen der
Untersuchungen zum Landschaftsplan XII-L2 nachgewiesen wurden. Deren Existenz ist also lange
bekannt. Bereits aus dieser Karte Nr. 7 geht der große Bebauungs-Konflikt hervor, der sich
aus dem starken Vorkommen besonders streng geschützter FFH-Arten ergibt.
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Karte 7 des F/J-Büros (Dez. 2012): Vorkommen der Zauneidechse.
Neuere Untersuchungen belegen, daß Zauneidechsen auch im nördlichen Bereich
vorkommen.
[Original in PDF]
(Repro: 19.6.2014 khd-research) |
Daß die Flächen 1, 239 und 240 am Nordrand nicht bewertbar waren, hat
natürlich einen Grund. Keiner hat diese durchgrünten gewerblichen Flächen untersucht
ein Fehler! Denn auch hier wurden von Anwohnern immer wieder Zauneidechsen beobachtet. Es
spricht alles dafür, daß die Zauneidechse im gesamten Planungsgebiet vorkommt. Das
muß nach
EU-Recht bei
der Festlegung der Bebaubarkeit berücksichtigt werden. Und dieses unterliegt nicht den in
Bebauungsplan-Verfahren sonst üblichen Abwägungs-Mechanismen, was vielen noch
gar nicht so recht klar ist.
Nun kommt’s auf die Naturschützer an
22.6.2014 (khd). Ganz klar, die Zauneidechsen-Karte muß noch auf die Höhe der wahren
Verbreitung dieser FFH-Art gebracht werden, um eine sachgerechte Beurteilung der Situation vornehmen
zu können. Das gilt natürlich auch für die Karten der anderen in
Lichterfelde-Süd vorkommenden FFH-Arten. Aber allein schon der Vergleich dieser
Zauneidechsen-Karte von 2012 mit der
Skizze des Bauanspruchs von 2013 macht deutlich, daß erhebliche
Habitat-Flächen einer seit 1992 streng geschützten FFH-Art (im Westen und Osten sowie im
Nordwesten des Planungsgebiets) fürs Bauen verbraucht werden sollen.
Mit Dispensen die Natur bezwingen
Nun hat der Investor, die Groth-Gruppe, angekündigt, Dispense auf der Basis des
§ 44 Absatz 5 BNatSchG von den
naturschutzrechtlichen Verboten erlangen zu wollen, um auch Habitate der geschützten FFH-Arten
bebauen zu können. Investor- Chef Klaus Groth erklärte am 20. Mai 2014 im Beisein von
Naturexperten dazu, es würde sich sonst für ihn nicht lohnen. Sicher ist
derzeit, daß Groth damit beim Umweltstaatssekretär Gaebler (SPD) auf Senats-Wohlwollen
stößt. Dieser hatte bereits im Mai 2013
zu erkennen gegeben, daß er sich nicht für den Naturschutz in
Lichterfelde-Süd einsetzen werde.
Kommt es zu diesen Dispensen, müssen jedoch die Naturschutzbehörden für jede
betroffene FFH-Art auch für Pflanzen-Arten besondere Ausgleiche
(
CEF-Maßnahmen bzw.
FCS-Maßnahmen) anordnen. Diese Maßnahmen müssen sinnvoll sein und
ökologisch wirksam werden, bevor überhaupt mit dem Bauen begonnen werden kann.
Aber Natura-2000 wäre angesagt
Allerdings stellt sich angesichts der neueren Untersuchungsergebnisse nun doch die Frage der
Einrichtung eines großen Schutzgebiets (FFH-Gebiet) nach Artikel 3 ff der europäischen
FFH-Richtlinie von 1992. Die
Vielfalt vorkommender FFH-Arten und Brutvogel-Arten mit teilweise großen Populationen sowie
das Vorkommen bestimmter Biotope rechtfertigen ein solches Schutzgebiet zumindest für den
gesamten südlichen Teil des Planungsgebiets (Parks Range). Schon die Gutachter
Fugmann/Janotta haben im Dezember 2012 auf diese Option hingewiesen (Seite 51 des
Gutachtens).
Unabhängige Experten weisen zudem daraufhin, daß nur mit einem solchen Schutzgebiet vom
Natura-2000-Typ das einmalige Naturparadies in Lichterfelde-Süd
wirklich nachhaltig erhalten werden könne. Alles andere (Dispense mit Ausgleich und ein reiner
Landschaftspark ohne LSG-Schutz in der Mitte) würde schon in kurzer Zeit zum Verlust der
enormen Artenvielfalt führen egal, was Investor Groth an Landschaftspflege erlaubt.
Außerdem stehe mit etwa 16 bis 20 Hektar im Nordteil des Areals ausreichend künftiges
Bauland für den Wohnungsbau und Arbeitsplätze zur Verfügung. Das gelte es, optimal
zu nutzen.
Die Planung jetzt beeinflussen
Es wird jetzt auf die Berliner Naturschutzverbände ankommen, was vom Lichterfelder
Naturparadies bleibt. Denn diese Naturschützer verfügen über ein wirksames
Druckmittel: Nur sie können später einen Bebauungsplan gerichtlich überprüfen
lassen, ob alle Naturbelange in der Planung korrekt berücksichtigt worden sind. Dann aber
könnte das Kind schon in den Brunnen gefallen sein wertvolle Habitate durch
Bauvorbereitungen bereits zerstört sein.
Zwar haben unlängst Naturschützer vom NABU und vom
BUND im FORUM beteuert, daß sie sich beide Verbände für die
Durchsetzung des Schutz der wertvollen Natur in Lichterfelde-Süd einsetzen. Aber es wird in
den folgenden Wochen darauf ankommen, daß sich die Naturschützer intensiver und
kritischer in den laufenden Planungsprozess einbringen, um die bislang angefallenen Planungsfehler
schonungslos und fachkompetent aufzuzeigen, was bislang nicht geschehen ist. Das sollte leicht und
deutlich möglich sein, zumal Vertreter des BUND und des NABU am sogenannten
Landschaftsplanerischen Workshop der Groth-Gruppe teilnehmen, in dem die Naturbelange
abgehandelt werden.
Nach dem Volksentscheid ist alles anders
Noch vor wenigen Wochen galten alle als naiv, die da meinten, man könne mit einem Volksgesetz
die vom Berliner Senat wg. der Wohnungsnot so sehr gewünschte Bebauung des Tempelhofer Feldes
stoppen. Seit dem Volksentscheid am 25. Mai wissen wir es besser, das Volk entschied sich gegen
die Senatspläne auch weil es anderenorts in der Innenstadt noch
reichlich ungenutzte
Bauplätze für den Wohnungsbau gibt. Das führt zur Frage: Wie will man dann
gerichtsfest in Lichterfelde-Süd Dispense für die Habitat-Zerstörung von streng
geschützten FFH-Arten begründen? Derartige massive Natur-Eingriffe sind nur möglich,
wenn wirklich trifftige Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Insofern erscheint die
BUND-Einlassung vom 28. April, es sei
naiv zu glauben, wir könnten die ganze Fläche für Natur und Erholung
retten, etwas voreilig, zumal es ja nicht um die ganze Fläche geht, sondern nur um den
südlichen Teil im
Außenbereich (§ 35 BauGB) von Berlin.
Größere Konflikte entstehen dort, wo auf ehemals öffentlichen Flächen der
Bahn oder der Post um das Primat der kommunalen Planungshoheit gegen die Interessen von Investoren
an günstig erworbenen Flächen gerungen wird, schrieb BUND-Chef Tilmann Heuser
am 2. Juni 2014 im Tagesspiegel.
Das prägnanteste Beispiel dafür ist Lichterfelde-Süd, wo Naturflächen von
Natura-2000-Qualität vor dem Aus stehen, weil das dem Senat, dem Bezirk und einem
bauwütigen Investor gefällt. Und dabei haben die Bürger vor Ort seit 30 Jahren aus
eigenem Erleben gute, ausgewogene Konzepte entwickelt und vorgetragen, was gemacht werden
muß, wie es Heuser forderte.
Unter den ersten Ideen der Architekturbüros, die im Workshop am 18. Juni 2014 diskutiert wurden,
befindet sich auch
ein Entwurf, der mit einer Bebauung des Nordrandes des Areals auskommt. Immerhin
2.346 Wohnungen könnten danach dort gebaut werden. Das läßt hoffen, daß
es doch noch gelingt wenn alle an einem Strang ziehen, die wertvolle Natur südlich davon
zu schonen und auf Dauer zu erhalten.
Schlechte Chancen für die Eidechsen
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Der Sieger-Entwurf. So soll also eine behutsame Randbebauung aussehen, die uns
einst Politiker von CDU und SPD versprachen, um die einmalige Natur von Lichterfelde- Süd zu
erhalten. In Türkis eingerahmt: Die besonders Natur-gefährdende Bebauung.
(Repro: 20.9.2014 khd-research)
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10.10.2014 (khd). Aus dem neuen Masterplan für Lichterfelde-Süd, den die Groth-Gruppe am
23. September vorstellte, ergibt sich, daß die Habitate (Lebensräume) streng
geschützter
FFH-Arten vom
geplanten Wohnungsbau in viel größerem Umfang betroffen sind, als früher vermutet.
Das trifft insbesondere auf die Zauneidechsen zu, bei denen inzwischen feststeht, daß diese
Reptilien im gesamten Planungsgebiet vorkommen. Eine Abschätzung der Anzahl wurde bislang noch
nicht bekannt, es werden aber Hunderte erwartet.
Hinter den Kulissen soll es bereits Überlegungen geben, wie mit dieser großen
Zauneidechsen- Population artenschutzrechtlich umgegangen werden soll, um das strikte
Tötungsverbot des europäischen Naturschutzrechts (übernommen ins
BNatSchG von 2009) einhalten zu
können. Dabei spielt offensichtlich das Einsammeln und das Aussetzen der Tiere im Bereich der
sogenannten Grünen Mitte eine wesentliche Rolle.
Höchst fragwürdige Maßnahmen
Von Naturschützern wird dieses Einsammel-Verfahren durchaus kritisch gesehen, wie einem
Fachaufsatz von Ina Blanke aus
dem Jahr 2012 zu entnehmen ist:
"Die Eingabe der Begriffe »Umsiedlung & Eidechse« in Internet-Suchmaschinen macht es
deutlich: Derartige Maßnahmen erfreuen sich großer Beliebtheit und werden gerne publik
gemacht. Letzteres ist insbesondere bei den zahlreichen Fällen bemerkenswert, die einer
kritischen Überprüfung nicht einmal ansatzweise standhalten, z. B. weil die Tiere nur
einen oder wenige Tage lang »abgesammelt« und dann in ungeeigneten Aussetzungsflächen
(z. B. Neuanlagen ohne Beutetiergemeinschaften oder bereits besiedelte Lebensräume)
ausgebracht werden.
Auch bei optimaler Vorbereitung und ausreichend langen Fangzeiträumen ist ein Erfolg nicht
gewiss. Sicher ist hingegen, dass viele Tiere den Stress von Fang und Umsiedlung nicht
überleben. Hinzu kommen die Todesopfer [zurückgebliebener Tiere] im späteren
Baufeld. Trotzdem werden Umsiedlungen gerne in Verbindung mit »Biotopbasteleien«
wie der Anlage von Steinhaufen regelmäßig als Maßnahme zur Vermeidung von
Tötungen und anderen Verbotstatbeständen des europäischen Artenschutzrechts
angeführt.
Sie sollen u. a. dazu dienen, dass die für etwaige Ausnahmen vom strengen Schutz notwendigen
Voraussetzungen (u. a. die Beibehaltung eines günstigen Erhaltungszustandes und zwingende
Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und das Fehlen schonender
Alternativen) nicht geprüft werden müssen.
Diese Praxis war für den Artenschutz oftmals fatal, weil keine Prüfung von
Standortalternativen erfolgte oder rein wirtschaftliche Interessen den Anlass gaben. Zudem waren
viele »Schutz«- Maßnahmen fragwürdig oder sogar eindeutig schädlich.
Derartigen Vorgehensweisen dürfte nun das
Bundesverwaltungsgericht ein Ende
bereitet haben. (...)"
12.10.2014 (pls). Bei Umsiedlungen von Zauneidechsen hat es in Berlin in den letzten Jahren immer
wieder Probleme gegeben. Sogar die
BILD-Zeitung berichtete im Sommer über Schwierigkeiten, die sich bei einer
größeren Umsiedlung von 350 Zauneidechsen von Schöneweide nach Spandau ergaben. Was
eigentlich eine Ausnahme sein sollte, gerät immer mehr zum fatalen Automatismus in der
Bauleitplanung. Gerade der
Fall
Schöneweide macht das deutlich. Dort hatte Berlins Senat noch nicht mal mit den
Naturschutzverbänden gesprochen nun klagt der NABU.
Für Lichterfelde-Süd stellt sich jetzt die Frage: Haben in dieser südlichen
Grünen Mitte mit ihrer größtenteils offenen Weidelandschaft die derzeit
im Nordteil des Planungsgebiets lebenden Zauneidechsen überhaupt eine Überlebenschance?
Oder werdem sie dort recht schnell von Greifvögeln (Bussard und Turmfalke sind hier heimisch)
gefressen, weil es dort an Verstecken fehlt. Auch das Futterangebot (z. B. Heuschrecken)
könnte im Süden nicht ausreichend sein.
Was ergaben die Untersuchungen von 2014?
23.12.2014 (pls). Beim 4. Landschaftsplanerischer Workshop am 24.11.2014 wurden auch erste Ergebnisse
der 2014 durchgeführten faunistischen Untersuchungen des in Lichterfelde-Süd in Planung
befindlichen Gebiets in der Form
einiger Karten mitgeteilt. Es steht nun fest, daß die nach
Europa-Recht ganz streng geschützte Zauneidechse (
Lacerta agilis)
überall im Planungsgebiet vorkommt, wenn auch zahlenmäßig sehr
unterschiedlich verteilt.
Interessant ist, daß die eigentliche Weidelandschaft auf dem Parks Range nicht der
ideale Lebensraum für Zauneidechsen ist. Hier wurden nur wenige Exemplare beobachtet.
Insofern wird die vermutlich vorgesehene Umsetzaktion der Reptilien vom Norden, wo sie reichlich
vorkommen, aufs Parks-Range-Gelände nicht den gewünschten Erfolg haben. Ein Erfolg
muß aber nachgewiesen werden,
bevor fürs Nord-Areal überhaupt erst ans
Baurecht gedacht werden kann.
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Vorkommen der Zauneidechse im Jahr 2014.
Die Untersuchungen wurden von der PlanWerkStadt (Berlin) durchgeführt.
[Quelle]
[Vergrößerung]
(Repro: 23.12.2014 khd-research) |
(weiteres wird folgen).