PLS-Logo |   Dokumentationen aus Medien — Teil 44

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    Stand:  11.3.2015   (20. Ed.)  –  File: PLS/Aus_Medien/AM_44.html



Die Presse hat noch nicht die (politische) Dimension des Gesamt-Konflikts um Lichterfelde-Süd erkannt und wohl auch deshalb bislang nur wenig berichtet — immerhin gibt’s doch schon einiges. Auf diesen Seiten werden ausgewählte Artikel und Texte zu den Planungs-Absichten bzw. -Ansinnen für Lichterfelde-Süd dokumentiert.

  Lichterfelde-Süd / Giesensdorf
Ständig benachteiligt!
Eine Abrechnung
 
Dabei gilt der allgemeine CopyRight-Hinweis. Archivort ist Houston (USA), wo das „fair use“-Prinzip gilt. Hier sind dokumentiert und manches auch in [Ed:...] kommentiert:

I n h a l t :       2015       [Artikel-Übersicht 2015]
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P A R K S   R A N G E

Ein neuer Stadtteil entsteht: Parks Range

Aus dem Bericht über die Gemeindekirchenrats- Sitzung (GKR) am 11. Februar 2015.

Auszug aus:
Der Schlüssel – Nr. 182 (Gemeindeblatt der gebietszuständigen ev. Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf), März 2015, Seite 14 (Aus dem Gemeindekirchenrat) von DETLEF LUTZE (GKR-Vorsitzender). Alle Links wurden hier redaktionell hinzugefügt. [Original]

GIESENSDORF. In Fortführung der Verabredungen aus der Beiratssitzung hat der Geschäftsführende Ausschuss dem GKR einen Vorschlag zur Organisations- und Kommunikationsstruktur zur ständigen Begleitung dieses Themenkomplexes unterbreitet. Ausgangspunkt ist die Notwendigkeit, dass sich die Gemeindeleitung zügig zu Grundsatzpositionen innerhalb des Problemspektrums festlegt. Die dafür notwendige Vor- und Nachbereitung von Einzelfragen ist durch den GA/GKR allein nicht leistbar.

Der GKR hat deshalb beschlossen: Es wird eine Konzeptgruppe "Lichterfelde-Süd/Parks Range" aus Mitgliedern des GKR, des Beirats und von freien Interessenten gebildet. Die Gruppengröße soll 10 Mitglieder nicht überschreiten. Aus dem GKR gehen in diese Gruppe: Pfr. Busch, Herr Lutze, Herr Kornau, Frau Pohlke. Die Mitglieder des GKR werden bis zur nächsten GKR-Sitzung Interessenten als freie Mitglieder zu gewinnen suchen. Der Beirat wird gebeten, seine Mitglieder bis Mitte März 2015 zu benennen.

Die Konzeptgruppe hat die Aufgabe, folgende Themen vorzubereiten und in den GKR einzubringen:

1. Gemeindestandort Celsiusstraße und/oder neuer/weiterer Gemeindestandort im Gebiet Parks Range

Dazu gehören die Beschreibungen von Aufgaben, Personaleinsatz, Raumbedarf und Funktionalitäten. Die Fragestellungen von Neubau oder Ersatzbau sind in Abstimmung mit der AG Immobilien zu leisten. Standortklärung im Gebiet Parks Range ist mit dem Investor und dem Bezirksamt zu suchen. Finanzierungsmodelle sind auszuzeigen.

2. Aufbau und/oder Betrieb einer Kita im Entwicklungsgebiet

Die Gemeinde verfügt durch den Betrieb von zwei Kitas über eine hohe Fachkompetenz in diesem Themenfeld. Der Betrieb einer evangelischen Kita im Gebiet Parks Range ist durchaus nachgefragt und grundsätzlich im Interesse der Gemeinde. Zu klären sind dazu aber die Fragen zum Standort, Aufbau und Betrieb einer möglichen Kita. Kooperationen nicht nur für die Finanzierungen sind auszuloten und anzuschieben.

3. Kooperation mit anderen Konfessionen und Akteuren

Die Wahrnehmung von Gemeindebelangen im Gebiet Parks Range ist funktional und räumlich nicht nur solo zu betrachten. Die gemeinschaftliche Nutzung von Gebäudeteilen und Räumen mit anderen konfessionellen oder sozialen Partnern sind für die Gemeindeleitung denkbar. Hier sollen die Möglichkeiten erkundet werden.

Die Konzeptgruppe Parks Range soll noch im März einsatzfähig sein und ist zunächst zur Abarbeitung dieser drei Aufgabenstellungen befristet bis zum 31. Dezember 2015 einzusetzen.

Ziel ist es, Beschlussentwürfe zu den Fragestellungen zu entwickeln.



B Ü R G E R B E T E I L I G U N G   I N   B E R L I N

Stadt von unten statt von oben

[Ed: An 2 Berliner Beispielen (Lichterfelde-Süd + Güterbahnhof Grunewald) wird der Umgang mit der Bürgerbeteiligung beleuchtet].

Aus:
DeutschlandRadio Kultur (DRK), Berlin, 3. März 2015, 13.30–14.00 Uhr MEZ (Länderreport) von ANNETTE WEIß. Diese bundesweite Radio-Sendung gibt es als Text-Transskript und als Audio-Datei im MP3-Format zum Nachhören. Die O-Töne in der Sendung sind hier kursiv gesetzt. Links und einige Zwischentitel sowie Kommentare in [...] wurden hier redaktionell hinzugefügt. [Original-Transskript beim DRK] [MP3-Audio beim DRK]

BERLIN (drk). Bei "Bürgerbeteiligung" zucken Bauherren zusammen: Was, wenn die Anwohner zu viel mitbestimmen? Doch ohne Bürger einzubeziehen, geht Bauen nicht mehr. Das Land erprobt neue Dialogstrukturen zwischen Politik, Bevölkerung, Investoren – zwei Beispiele aus Berlin.

Das Beispiel Lichterfelde-Süd

Das Haupttor zur so genannten "Parks Range" liegt zwischen Mauerweg und stark befahrener Osdorfer Straße. Der Verkehr zwischen Berlin und Brandenburg rauscht vorbei. An 96 Hektar Land: Trockenrasen mit Wäldchen und Sträuchern [Ed: falsch! Es sind rund 115 Hektar].

"Und wenn Sie sich das angucken, die Straße ist ein Witz. Die ist einfach zu eng. Ich bin jahrelang von Lichterfelde nach Brandenburg an der Havel gefahren jeden Tag, und ich kann Ihnen sagen, das war immer eine Strapaze."

Zum Plan für Lichterfelde-Süd
Stand: Sep. 2014
Helmut Schmidt, Professor außer Dienst, hat über 30 Jahre in Lichterfelde gewohnt und engagiert sich in der Bürgerinitiative "Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde- Süd". Denn er ist nicht einverstanden mit den Plänen des Grundstückseigentümers: Hier in Lichterfelde-Süd will die Groth-Gruppe ein neues Stadtviertel bauen, für 800 Millionen Euro, das derzeit größte Wohnungsbauprojekt Berlins. Mit ungefähr 2.500 Wohnungen, dazu einer Schule, Sportflächen, Kitas, Spielplätzen und einem Platz als Treffpunkt. Ein Quartier für die Mittelschicht, insbesondere für Familien, aber auch Senioren, Studenten, Singles und Paare. Gebaut werden soll, so hat der Bezirk mit dem Investor verhandelt, nur am Rande auf 39 Hektar, die übrigen 57 Hektar [Ed: des 96-Hektar-Grundstücks der Groth-Gruppe] sollen als naturnahe Parklandschaft erhalten bleiben – als sogenannte "Grüne Mitte".

Helmut Schmidt/Anne Loba: "Guten Morgen. - Guten Morgen, ganz schön eisig, was?"

Anne Loba, die mit ihren 30 Pferden die Naturlandschaft beweidet, kommt auf dem Fahrrad und schließt das Tor von innen auf.

"Hier haben die Amerikaner mit Panzern und Infanterie den Russen und den Volksarmisten gezeigt, wir verteidigen Berlin, denn es ist genau an der Stadtgrenze von Berlin gelegen."

Der ehemalige Truppenübungsplatz heißt "Parks Range", nicht etwa, weil er parkähnliche Ausmaße hat. Sondern weil der 1. amerikanische Stadtkommandant von West-Berlin Floyd Parks hieß.

Der Blick von einem der sanften Hügel: Hier die Hochhäuser der Thermometersiedlung, sie gelten als sozialer Brennpunkt. Dort ein Birkenwäldchen, in dem Wildschweine und Rehe leben, davor grasen ein paar von Anne Lobas Pferden. Für den ignoranten Großstädter mag hier Gestrüpp wachsen, für die Tiermedizinerin sind es wertvolle. Zur Bebauung hat die Pferdewirtin durchaus eine Meinung, aber sie möchte sich nicht öffentlich äußern. Nur so viel: Durch die Ausgleichsmaßnahmen würden endlich Laichgewässer für den Moorfrosch, die Knoblauch- und die Wechselkröte geschaffen werden [Ed: hm, als wenn das reicht...].

Auch im Umweltamt des Bezirks schätzt man das einzigartige Ökosystem, aber Berlin braucht Wohnungen, daher halten die Politiker den austarierten Plan von 39 Hektar Bebauung bei einer zusammenhängenden Parklandschaft von 57 Hektar für einen Erfolg. Doch Helmut Schmidt geht die Bebauung zu weit:

"Also wir halten eine Bebauung in Maßen bis zu 1.500 Wohnungen – und das ist ja nicht wenig – für richtig. Ich denke aber, dass man nicht eine zweite Thermometersiedlung baut oder noch eine größere mit 2.500 Wohnungen. Wir wollen vor allen Dingen auch, dass die Natur, die Frau Loba mit einem sehr intelligenten Weidemanagement geschaffen hat, auch erhalten bleibt. Das sind unsere Forderungen." [Ed: Leider fehlt auch hier wieder der sehr wichtige Hinweis auf die NATURA-2000-Qualität des größten Teil des 115-Hektar-Areals].

"Die Anwohner wollen die Bebauung"

Die evangelische Gemeinde in der nördlich angrenzenden Thermometersiedlung. In den Hochhäusern leben 6.000 Menschen, vor allem türkische, arabische, polnische und russische Familien und alte Menschen mit kleiner Rente. Die meisten von Hartz-IV, weiß Jürgen Bischof, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gemeinde.

Der Sozialarbeiter hat kein Interesse daran, dass eine zweiter sozialer Brennpunkt entsteht, daher findet er die von der Groth-Gruppe geplante Mischung aus Eigentum und frei finanziertem und gefördertem Wohnungsbau mit Mieten ab 6,50 Euro gut [Ed: hm, genau nach diesem Mischprinzip wurde in den 1970er-Jahren auch die Thermometer-Siedlung gebaut, dennoch entstand dort seit etwa 2000 der soziale Brennpunkt...]:

"Also, die Anwohner hier wollen die Bebauung, einfach deshalb, weil sie Wohnungsnot haben, weil sie hoffen, über das Naherholungsgebiet, aber auch über einen neuen Sportplatz und eine neue Schule nochmal 'ne ganz andere Wohnqualität zu erhalten. Und es ist ja auch so, es wird ja qualitativ hier eine starke Verbesserung geben und ich glaube, dessen sind sie sich bewusst."

Jürgen Bischof ist – wie auch Helmut Schmidt – aktiv am Dialogverfahren der Groth-Gruppe beteiligt, Schmidt in seiner Funktion als Seniorenvertreter des Bezirks und Bischof für "die soziale Infrastruktur", also für eine gute, friedliche Nachbarschaft mit den neuen Siedlern. Drei Informationsveranstaltungen hat der Investor durchgeführt, die erste im April 2012, die letzte im November 2014. Zu diesen "Bürgerdialogen" kamen jedes mal 250 bis 300 Leute.

Anette Mischler von der Groth-Guppe. Von ihrem Büro hat sie einen Blick auf den Kurfürstendamm, auf ihrem Scheibtisch liegt das "Handbuch zur Partizipation" der Senatsverwaltung. Ihre Stelle wurde extra geschaffen, Anette Mischler ist für die Bürgerbeteiligung zuständig. An ihrer Wand hängt ein Übersichtsplan von Lichterfelde-Süd. Bevor die Architekten anfingen zu planen, hat die Groth-Gruppe eine Bürgerwerkstatt ins Leben gerufen:

"Um möglichst viele Interessensgruppen rund um das Gebiet einzubinden, haben wir gesagt, wir nehmen 10 Vertreter aus den jeweiligen Parteien der BVV, also des Bezirksamtes in Steglitz-Zehlendorfs, wir nehmen 10 Vertreter aus beteiligten Initiativen, also zum Beispiel von den angrenzenden Schulen, von den Kitas, von den sozialen Trägern, die dort vor Ort sind, und wir nehmen 10 Bürger, die an diesem Abend selbst in der Bürgerversammlung bestimmt wurden, das heißt, engagierte Bürger konnten sich melden, wenn sie Lust hatten, am Prozess teilzunehmen, konnten ihren Namen, ihre Telefonnummer in eine vorbereitete Box werfen und wurden dann von dem Moderator am gleichen Abend noch gezogen."

Über 30 Personen kamen so zusammen. Sie beschäftigten sich mit Grundsatzfragen, zum Beispiel: Wie wird das neue Gebiet an die Hochhaussiedlung angebunden oder was bedeutet es, wenn 3.000 bis 5.000 Menschen mit ihren Autos in das neue Stadtviertel ziehen?

"Das gab dann feste Tische, an jedem Tisch saß ein Vertreter des Bezirksamtes und der jeweilige Fachmensch von uns und die Bürger wurden aufgeteilt in verschiedene Gruppen und mussten, oder durften, konnten, sollten von Tisch zu Tisch gehen, damit jeder auch zu jedem Thema seine persönliche Meinung äußern konnte."

Diese Ergebnisse wurden den Architekten als Leitlinien mit auf den Weg gegeben, die Wichtigkeit zum Beispiel einer grünen Anbindung in das neue Stadtviertel hinein oder der Wunsch, keine "gated community" entstehen zu lassen. Aus der Bürgerwerkstatt wurden wieder zwei Vertreter gewählt, die den Architekten auf die Finger gucken konnten. Und auch der Wettbewerb unter den Architekturbüros war offen. Viel Bürgerbeteiligung also, und das alles, erinnert Anette Mischler, noch vor der Baurechtschaffung, dem Bebauungsplan, abgekürzt B-Plan:

"Was wir momentan machen, ist rein freiwillig, also wir müssen keine einzige Bürgerwerkstatt machen. Und wir müssen auch keine Bürger in den städtebaulichen Wettbewerb reinlassen, das sind alles Sachen, die wir freiwillig machen, die gesetzlich geregelte Bürgerbeteiligung kommt sehr viel später. Wo wir denken, es gibt eine Notwendigkeit, es ist richtig, dass man es macht. Wir sind ja bei vielen Sachen auf die Initiativen oder auch vielleicht später auf ehrenamtliche Beteiligung von Bürgern angewiesen. Ein Quartier lebt nur durch die Leute, die dort später wohnen und sich wohlfühlen."

Es zählt nicht mehr das höchste Gebot

Ein Aspekt, den die neue Liegenschaftspolitik von Berlin stärker berücksichtigt als in den letzten 20 Jahren. Nachdem das Land Berlin seit der Wende landeseigene Grundstücke – wie zum Beispiel ehemaliges Bahngelände – quasi verscherbelt hat, um den klammen Haushalt zu sanieren, findet nun ein Umdenken statt. Das kann Anette Mischler bestätigen. Sie war vor der Groth-Gruppe beim Liegenschaftsfonds tätig, der für den Verkauf der landeseigenen Grundstücke zuständig ist:

"Die Zeiten haben sich geändert, auch der Blickwinkel hat sich geändert. Man hat festgestellt, es ist nicht gut, alles zum Höchstpreis aus der Hand zu geben, wir sollten als Land mehr Grundbesitz behalten, vielleicht mehr in Erbbaurechtsverträgen vergeben. Man ist abgekommen vom höchsten Gebot hin zu Konzeptverfahren."

Ein hoher Ankaufspreis für ein Grundstück bedeutet für den Investor, er muss dies über entsprechend hohe Verkaufspreise von Eigentumswohnungen oder hohe Mieten kompensieren. Ein erklärtes Ziel der neuen Berliner Liegenschaftspolitik ist es aber, preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Die Hoffnungen liegen hier auf Berlins neuem Bürgermeister Michael Müller, dem ehemaligen Senator für Stadtentwicklung. Er hat den Wohnungsbau zur Chefsache erklärt. Seit November 2012 gibt es parallel dazu einen Runden Tisch zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik, der allerdings nicht von der Politik initiiert wurde, sondern in erster Linie von Florian Schmidt von der Initiative Stadt Neudenken. Alle zwei Monate treffen sich Vertreter aus Wissenschaft, Kultur, von Initiativen und Verbänden, der Runde Tisch darf im Abgeordnetenhaus tagen und lädt dazu Politiker ein.

Florian Schmidt, hinter dessen Schreibtisch ein Poster hängt mit der Aufschrift "Wem gehört die Stadt?", sieht in dem Verkauf von Grundstücken an den Investor mit dem besten Konzept vor allem eine Chance für mehr Bürgerbeteiligung:

"Wir sind in der gesamten Gesellschaft dort angekommen, dass wir nicht Luxusprojekte brauchen, sondern dass Projekte auch eine soziale Mischung brauchen, dass sie eingebunden sind in die lokalen Strukturen, vielleicht auch an die lokale Kultur und Identität anknüpfen. Das ist ja auch ein Wert, damit werden Projekte beworben, und ich glaube, dass Bürgerbeteiligung einen Beitrag leisten kann, dass Projekte wirklich passen, wirklich ins Quartier zu passen."

Das Beispiel Güterbahnhof Grunewald

Ein anderes Bauprojekt in prominenter Lage ist der ehemalige Güterbahnhof Grunewald. Er ist 14 Hektar groß und liegt zwischen Messegelände, Grunewald und City-West mit Lietzensee und Kurfürstendamm. Wie eine Insel liegt er da umflutet von den Verkehrsströmen von Stadtautobahn, AVUS, Messedamm und den Trassen der Regional-, Fern- und S-Bahn.

2009 hat der Möbelunternehmer Kurt Krieger das Gelände erworben, von der CA-Immo, einer österreichischen Immobiliengesellschaft, die die ehemaligen Bahngrundstücke verkauft. Der einzige Zugang ins Gelände ist eine einspurige Straße aus Kopfsteinpflaster, die sich unter drei Brücken hindurchschlängelt: Die Cordesstraße.

"Ja, jetzt bekommen wir zum ersten Mal die alte Eisenbahnsiedlung in den Blick."

Falk von Moers von der Bürgerinitiative "Zwischen den Gleisen".

"Das waren die Werkstätten, wo die Bahn überholt wurde, das war alte Industriearchitektur, typisch aus roten Backstein, so große Hallen und großen Fenstern, lange Gebäude. Eigentlich eine interessante Architektur, wo man sich hätte vorstellen können, dass Ateliers hinkommen oder kleine Werkstätten, dass die genutzt werden, aber wir sehen, die sind komplett weg."

Nur ein paar Gebäude stehen noch, recht gut erhalten. Die meisten fielen der Abrissbirne zum Opfer, darunter sogar ein denkmalgeschütztes Torhäuschen – ein "Missverständnis" aus dem Denkmalschutzamt. Kurt Krieger, der Bauherr, war schnell. Ursprünglich wollte der hier zwei Möbelhäuser hinstellen inklusive eigener Autobahnausfahrt. Die Anwohner der benachbarten Eichkampsiedlung wie Falk von Moers protestierten, bildeten eine Bürgerinitiative, und die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf gab ihnen Recht: Dieses Filetstück zwischen Grunewald und Messegelände sollte anderweitig genutzt werden. Die Pläne von Kurt Krieger wurden vorerst gestoppt. Nun überlegen alle, wie man das 14 Hektar große Areal nutzen könnte. Falk von Moers kennt die Eigenheiten: den hohen Lärmpegel, den starken Verkehr rundum und die einzige schmale Zufahrtstraße.

"Deswegen setzen wir uns für eine eine gemäßigte Baudichte ein, die sozusagen einen Autoverkehr erzeugt, der noch kompatibel mit der chaotischen Verkehrssituation hier ist, und keine maximal dichte Bebauung, die wieder zu neuen Verkehrsströmen führt, die die sowieso schon täglichen Staus am Messedamm und Funkturm noch weiter verschlimmert."

Im heimischen Wohnzimmer in der nahegelegenen Eichkampsiedlung. Falk von Moers holt zwei dicke Aktenordner hervor, alles zum Thema Güterbahnhof Grunewald und Bürgerbeteiligung:

"Ja hier fängt's an, hier sieht man auch ein paar Fotos vom Abriss auf dem Gelände. Es steckt viel Arbeit darin. Wenn was bei rauskommen sollte, womit wir leben können, dann hat es sich gelohnt."

Zunächst, erzählt der Physiker, hat sich die Bürgerinitiative selbst organisiert, Leute eingeladen und sich schlau gemacht, was zum Beispiel ein Bebauungsplan ist. Im nächsten Schritt haben die Eichkamper Kontakte in die Politik zu den Bezirksverordneten aufgenommen. Entscheidend war aber, dass Vertreter der Heinrich-Böll-Stiftung auf die Bürgerinitiative aufmerksam wurden und 15.000 Euro für ein Bürgerbeteiligungsverfahren locker machten, das sogenannte Charette-Verfahren:

"So ein Charette-Verfahren ist im Prinzip ein Schlichtungsverfahren, wo eigentlich alle Beteiligten an einem Tisch sitzen sollen, da gibt es eine Serie von vorbereitenden Workshops, wo fachliche Themen erörtert werden, zum Beispiel hier Wohnen in lärmbelasteten Bereichen oder ökologische Aspekte des Geländes. Solche Themen werden erst einmal vertieft, das bringt die Leute dazu, eine Sprache zu verstehen und zu kommunizieren, ohne sich die Köpfe einzuschlagen." [Ed: Für Lichterfelde-Süd wurde ein offenes Charette-Verfahren von der BVV-Politik (vermutlich auf Druck der Groth-Gruppe auf CDU und GRÜNE) abgelehnt].

Der Name "Charette" kommt aus dem Französischen und bedeutet "Karren", erklärt Thies Schröder. Der Landschaftsarchitekt hat sich schon früh auf die Kommunikation bei Bauprojekten festgelegt und moderiert viele Beteiligungsverfahren:

"Charette erinnert vom Bild her an den Karren, der im Paris des 19. Jahrhunderts im Montmartre, also im Künstlerviertel, also wo die Studierenden der bildenden Künste leben und arbeiten, kurz vor Semesterschluss alle Kunstwerke auf den Karren lädt. Deswegen die Charette, und auf dem Karren muss - weil noch nicht alle fertig sind zu Semesterschluss - noch letzte Hand angelegt werden. Und diese beiden Prinzipien, in aller Öffentlichkeit und unter Zeitdruck, wird ein Werk, und zwar im Konsens, zu Ende gebracht."

Die Gretchenfrage: Was gibt es überhaupt zu verhandeln?

Eine professionelle Moderation gehört ebenso zum Charette-Verfahren wie Workshops und Vorträge, in denen sich die Bürger auf gleiche Augenhöhe mit Bezirkspolitikern, Stadtplanern, Architekten und anderen Experten bringen. Es folgt die Kern-Charette: Das Ergebnis ist offen, jeder bringt seine Vorschläge ein, und am Ende steht ein Kompromiss, ein Konsens, mit dem alle leben können. Auch hier ist Florian Schmidt involviert. Er hat das Charette-Verfahren für die [GRÜNEN-nahe] Böll-Stiftung koordiniert:

"Das muss nicht immer klappen, aber das kann klappen, und das ist ja die Ambition von Bürgerbeteiligung, in der Praxis ist ja Bürgerbeteiligung oft: Viele machen einen Vorschlag, und dann sagt einer: Nö, können wir nicht machen, das geht jetzt halt nicht. Und das ist ist auch auf eine Art und Weise legitim, wenn einer sagt, hier soll ein Atomkraftwerk entstehen und die anderen sagen, wollen wir nicht, dann kann man nicht ein halbes Atomkraftwerk bauen, das ist Entweder-Oder. Das ist eine Frage der Ausgangsbedingungen, was gibt es überhaupt zu verhandeln."

In diesen drei Tagen haben die Beteiligten Kriterien formuliert, die für die Entwicklung des Areals gelten sollen, mit unterschiedlicher Gewichtung. Zum Beispiel hat Priorität 1, dass das Projekt einen regionalen und lokalen Nutzen haben soll. Dass die denkmalgeschützten Gebäude erhalten bleiben, rutschte auf Platz vier.

Ein Rückblick: Vor fast einem halben Jahr, Anfang Oktober im Rathaus Charlottenburg. Im Ausschuss für Stadtentwicklung wird den Bezirksverordneten aller Parteien das Ergebnis des Charette-Verfahrens vorgestellt. Anschließend – die Bürgerinitiative ist unter sich und rückt die Stühle zusammen – setzt sich der Bezirksstadtrat für Bauen, Marc Schulte von der SPD, locker zu ihnen auf einen Tisch:

"Heute ist ganz klar zum Ausdruck gekommen, dass die Bürgerinitiative mit eingebunden werden muss und eingebunden werden soll. Da ist auch kein Dissens, ich habe keine Bange, dass das ein Pingpongball wird, das war für andere Verhältnisse im Ausschuss heute doch ein sehr breiter Konsens."

Florian Schmidt: "Ihr seid jetzt am Drücker, und ihr sagt so oder so soll es sein. Mal ganz im Ernst, ihr seid jetzt in der Situation, ihr könnt Wünsche äußern. Ja, natürlich! Da kam doch sofort die Beschwerde, wo seid ihr?"

Ein Moment des Innehaltens, die meisten gucken ungläubig. So, als ob sie sich fragen: Können wir die Verantwortung jetzt auch ausfüllen? Falk von Moers ist jedenfalls zufrieden, wie die Bürgerinitiative eingebunden ist:

"Ich habe immer ganz klar im Hinterkopf, dass wir noch keine Entscheidung haben und nie sicher ist, ob wir nicht ausmanövriert werden und jemand die Entscheidung an uns vorbei trifft. Das hindert aber nicht, dass wir Riesenfortschritte gemacht haben in dem aktuellen Prozess, dass wir eine Nutzung des Geländes haben wollen, die für Anwohner verträglich ist und nicht nur dem Investor zugute kommt."

So sieht der Vorschlag nun aus, der bei der Charette herausgekommen ist: An der Nord- und Südspitze des Geländes, die stärker vom Lärm betroffen sind, sollen Grünflächen für Sport-Freizeit- und Kulturnutzung entstehen. In der ruhigeren Mitte können Wohneinheiten gebaut werden, ungefähr 250, auch für Baugruppen und Genossenschaften, und Studenten sollten hier wohnen – weil die ja eher die S-Bahn nutzen und den Verkehr entlasten.

Der Senat wird unruhig: Berlin braucht dringend Wohnungen

Während die Bürgerinitiative "Zwischen den Gleisen" zuversichtlich der neuen Verhandlungsrunde mit dem Investor und den Bezirkspolitikern entgegensieht, könnte das "Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde-Süd" das Bauprojekt zum Kippen bringen. Professor Helmut Schmidt hat vor wenigen Tagen ein Bürgerbegehren
beantragt:

"Und in diesem Bürgerbegehren wollen wir das erreichen, Naturschutz, Wohnen und Arbeiten auf diesem Gelände zu verbinden und nicht das zu tun, was sich jetzt abzeichnet, dass eine zweite riesige Siedlung gebaut wird und der Naturschutz untergeht."

Im Bezirksamt sieht man das mit Sorge. Denn der Senat wird langsam unruhig, Berlin braucht Wohnungen, jährlich ziehen etwa 50.000 Menschen in die Stadt. Der Senat könnte die Baurechtschaffung an sich ziehen und dann werde "ratz fatz gebaut". Und dann könnten es auch mehr als die sorgfältig zwischen Investor, Senat und Bezirk verhandelten 2.500 Wohnungen sein, dann könnte der Senat dort auch 3.500 Wohnungen hinstellen, wie einmal ursprünglich anvisiert. Das wäre ein Verlust für die "Grüne Mitte" und die Berliner. Stefan Evers, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, hält es für richtig, dass der Senat in diesem Fall einschreitet:

"Ich bin da übrigens dafür, es gibt einen gesellschaftlichen breiten Konsens, dass Berlin Wohnungsbau dringend braucht, um Wohnungsnot vorzubeugen, da wird auch jeder zustimmen, auch jede Protestinitiative wird zustimmen. Weil das aber so ist, dass wir das als gesamtstädtisches Anliegen erkannt haben, bin ich der festen Überzeugung, dass wir sehr viel früher deutlich machen, hier geht es um ein Entwicklungsvorhaben, das von so großer Bedeutung ist, dass nicht mehr der Bezirk mein Adressat ist, sondern ganz Berlin."

Der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung ist: Der Verhandlungsspielraum muss festgelegt sein. Was sind die No-Go's, was ist gesetzt? Der Frust vieler Bürger rührt daher, dass sie denken, sie können noch mitentscheiden – und dann auf den Informationsveranstaltungen ein nahezu fertiges Konzept präsentiert bekommen. Wie etwa die Baumasse von 2.500 Wohneinheiten in Lichterfelde-Süd. Die waren keine verhandelbare Masse, sondern als Kompromiss zwischen Senat, Bezirk und Investor festgelegt.

Florian Schmidt: "Deshalb muss man mehr Geld investieren, in eine klare Moderation. Die fängt da schon an, dass man das Verhandelbare herausarbeitet, und auch den Akteuren erklärt; Leute, wenn ihr nichts zu verhandeln habt, begebt ihr euch in die Gefahr, dass ihr eine Scheinbeteiligung macht, und dann werden die Leute richtig sauer. Dann versuchen sie über die direkte Demokratie oder über andere Wege, teilweise auch illegale Wege, euer Projekt richtig zu stoppen. Also bietet etwas an, das darf auch nicht ein Feigenblatt sein." [Ed: In Lichterfelde-Süd setzte bislang der Investor (mit der Politik im Schlepptau) auf eine solche "Scheinbeteiligung" der Bürger: Keine einziger Bürgervorschlag wurde in der Planung berücksichtigt!].

Das Beispiel Mauerpark

Teilnehmerin: "Herr Spallek, ich frage Sie, Herr Spallek, sind Sie der Stadtrat für die Bürger oder sind Sie Investorrat für die Bauwirtschaft?" (Bravorufe)

Ein anderes aktuelles Beispiel für nicht klar abgesteckte Verhandlungsspielräume ist der Berliner Mauerpark. Auch hier baut die Groth-Gruppe oder besser: will bauen. Auf einer bisherigen Gewerbefläche. Wohnungen und eine Kita. Dafür erhält der Mauerpark 7 Hektar Grünfläche dazu. Die Bürgerinitiative "100 Prozent Mauerpark" lehnt das Bauprojekt ab. Erhitzte Gemüter bei einer Informationsveranstaltung von Groth-Gruppe und Bezirk im Januar:

Teilnehmer: "Ich persönlich bin gar nicht dafür, dass gar nichts gebaut werden darf, ich finde, Kompromisse sind in einer Demokratie gut, aber so wie das hier gelaufen ist, finde ich, das ist das Gegenteil einer Bürgerbeteiligung, wie wir sie uns erwartet hatten." (Klatschen)

Viele Interessenten, die gerne Wohnungen kaufen oder mieten würden, gehen vorzeitig nach Hause, wie dieses junge Paar, das seit Jahren am Mauerpark wohnt:

(Sie) "Ich bin absolut dafür, dass da oben gebaut wird, und ganz ehrlich, diese Fläche, dieser nördliche Teil vom Gleimtunnel, der liegt brach, das ist eine Beton- und eine Asphaltfläche, und das wird so bleiben, wir kennen Berlin. (Er) man traut sich gar nicht zu sagen, dass man dafür ist, man muss ja Angst haben."

Auch der Bauexperte der CDU, Stefan Evers, warnt davor, falsche Erwartungen über Mitspracherecht zu wecken:

"Heute beginnt unser Verfahren in der Regel mit Plänen, oft schon mit Visualisierungen, das ist wenig geeignet um den Eindruck zu vermitteln, dass hier noch ergebnisoffene Dialoge möglich sind. Ich glaube, der richtige Ansatz ist, mit einem weißen Blatt Papier in solche Dialoge zu starten. Und deutlich zu machen, Ich gehe hier rein, um einen Eindruck von den unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen zu gewinnen."

Das Charette-Verfahren für den Güterbahnhof Grunewald war so ein weißes Blatt Papier. Hier treffen optimale Bedingungen zusammen, sagt Baustadtrat Marc Schulte:

"Eine Bürgerbeteiligung ist dann erfolgreich, wenn eine Kommune auch die Planungshoheit hat, wenn ich Bürger habe, die engagiert sind, die konstruktiv an Lösungsmöglichkeiten arbeiten und die nicht mit einer vorgefestigten Meinung herangehen – und wenn ich Eigentümer habe, die mitspielen, das sind die drei Voraussetzungen."

comment! [Editor-6.3.2015: In Lichterfelde-Süd wurden von Anfang an von Bürgern sehr konstruktive Vorschläge für den Erhalt der wertvollen Natur (Artenschutz) sowie einer behutsamen — dringend benötigten — Randbebauungen mit Wohnungen gemacht. Aber das wurde alles von einem geldgierigen Investor (mit Unterstützung der Politik) vom Tisch gewischt. Er wird die Folgen zu tragen haben...].

Kurt Krieger spielt mit, er hat längst ein noch größeres Gebiet für seine Möbelhäuser gefunden, in Pankow, da ist ihm der Güterbahnhof egal. Er hat genügend Zeit und Geld, das Grundstück erst einmal liegen zu lassen. Unter Umständen ist es durch die geplanten Wohnungen mehr wert als ein reines Gewerbegrundstück. Auch das kann Bürgerbeteiligung erreichen.

(Literatur folgt).

Echo im FORUM:   [04.03.2015] [06.03.2015] [07.03.2015]



M A U E R P A R K

Hier regieren wir

Die Anwohner dürfen nicht mehr über die Bebauung des Mauerparks mitentscheiden – weil die von gesamtstädtischer Bedeutung sei. Wie schon bei den Buckower Feldern hebelt der [SPD/CDU-] Senat die Bürgerbeteiligung aus.

Aus:
Der Tagesspiegel, Berlin, 5. März 2015, Seite 9 (Berlin, Teaser auf Seite 1) von RALF SCHÖNBALL. Titel und Untertitel sind der Print-Fassung des Artikels entnommen. Dokumentiert ist hier der Text der Online-Fassung mit Zwischentiteln, die dort den Titel trägt "700 Wohnungen statt Freifläche: Senat reißt Bauplanung für Mauerpark an sich". [Original]

BERLIN (Tsp). Der Senat entzieht dem Bezirk Mitte die Planung für die Neubauten am Mauerpark – und will bis Ende des Jahres verbindliches Baurecht auf dem umkämpften Areal schaffen. Dies sagte Bausenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch [4.3.2015]. Die Entscheidung über den Bau von 700 Wohnungen sei „keine Frage mehr, die in der Nachbarschaft entschieden wird“, sie sei vielmehr von gesamtstädtischer Bedeutung. In den vergangenen Jahren sei die Bevölkerung Berlins um rund 174.000 Menschen gewachsen und die neu hergezogenen Menschen drängten auf den ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt. Deshalb müssen Berlin „alle Instrumente“ zur Bekämpfung der Wohnungsnot einsetzen – und dazu gehöre auch der Neubau wie beim Projekt am Mauerpark.

„Wir sind als Regierung gewählt, um zu regieren – und das tun wir jetzt“, sagte Geisel. Es gelte dem „Risiko weiterer Verzögerungen“ zu begegnen. Die Baupläne seien seit Jahren mit den Bewohnern und Nutzern des Mauerpark diskutiert und wiederholt an die Bedürfnisse der Bürgerschaft angepasst worden. Nun sei ein „Punkt der Verbindlichkeit“ erreicht, der nicht wieder infrage gestellt werden dürfe, sonst werde die Stadt handlungsunfähig.

Knapp 700 Wohnungen sollen gebaut werden

Der Mauerpark ist nach den Buckower Feldern das zweite große Bauvorhaben, das der Senat an sich zieht. In beiden Fällen hatten sich Anwohner und Gegner der Bauprojekte formiert. Im Fall des Mauerparks werden bereits Unterschriften gesammelt, um einen Bürgerentscheid auf den Weg zu bringen. Der Senat zieht das Projekt zu einem Zeitpunkt an sich, an dem die Baupläne öffentlich ausgelegt werden und die Bürger ihre Einwendungen äußern können.

Auf einer Fläche von 3,5 Hektar sollen fast 700 Wohnungen entstehen, 70 Prozent davon als Mietwohnungen. 120 Wohnungen baut das landeseigene Wohnungsbauunternehmen Gewobag, 122 sind frei finanzierte Wohnungen privater Investoren. Außerdem sollen 219 Studentenwohnungen entstehen sowie 194 Eigentumswohnungen. Hinzu kommen 43 seniorengerechte Wohnungen und eine Kita mit 80 Plätzen.

Grüne und Linke kritisieren die Pläne scharf

Die Opposition kritisierte den Griff des Senats nach der Bauplanung am Mauerpark scharf. Von einer „unfassbar arroganten Haltung gegenüber den Berlinern“, sprach die Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion Antje Kapek. Der Bebauungsplan sei erst vor rund einer Woche ausgelegt worden. Dass Geisel das Verfahren nun an sich ziehe, „macht deutlich, dass er kein Interesse an einer inhaltlichen Auseinandersetzung über das Bauvorhaben hat“. Der Senat habe nichts vom Debakel in Tempelhof gelernt und „Angst vor einer zu starken Stadtgesellschaft“.

Von einem „starken Stück“ sprach Klaus Lederer von der Linksfraktion. Die bestehenden Baupläne für den Mauerpark sähen „eine Luxussiedlung und kein Projekt des sozialen Wohnungsbaus“ vor. Von einer „Bankrotterklärung für das Konzept der Sozialen Stadt“ sprach Lederer deshalb. Der Senat agiere als „Flächenscout für die Immobilienwirtschaft“. Der starke Zuzug und die Wohnungsnot seien „die Legitimation zur Verscherbelung der Stadt“, so Lederer. „Jeder kriegt sein Baugenehmigung zu jedem Preis“.

CDU begrüßt das Bauvorhaben

Dagegen begrüßte der Koalitionspartner CDU die Maßnahme: „Mit der Ankündigung, das Bebauungsverfahren Mauerpark in die Zuständigkeit des Senats zu überführen, macht Stadtentwicklungssenator Geisel von den eigens dafür geschaffenen Regeln Gebrauch“, sagte Matthias Brauner, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion. Damit werde sichergestellt, dass das Wohnungsbaupotential von 700 Wohnungen ohne Verzug realisiert und die guten Vorarbeiten des Bezirks Mitte fortgeführt werden. Heiner Funken von der Mauerpark-Allianz kündigte heftigen Widerstand gegen die Baupläne an.



M A U E R P A R K

Chefsache Mauerpark

Weil der Senat Angst vor einem lähmenden Bürgerbegehren hat, übernimmt der Bausenator [Andreas Geisel (48, SPD)] die Planung für 700 Wohnungen.

Aus:
B.Z., Berlin, 5. März 2015, Seite 14 (Berlin). [Original] [Original in PDF]

BERLIN (B.Z.). Jetzt ist der Mauerpark kein Kiez-Thema mehr – der Senat macht ihn zur Chefsache! Das Land Berlin übernimmt vom Bezirk Mitte das laufende Planungsverfahren, macht das Areal zu einem „Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“.

„Der Bau von 700 sozial gemischten Wohnungen ist kein Thema der direkten Nachbarschaften, sondern interessiert die ganze Stadt von Spandau bis Marzahn-Hellersdorf“, sagt Bausenator Andreas Geisel (49, SPD).

„Skandal“, wettert Linke-Chef Klaus Lederer (40). „Nachvollziehbar“, findet dagegen der bisher zuständige Baustadtrat Carsten Spallek (43, CDU): „Es geht ja nicht nur um den Bau von Wohnungen, sondern auch um die Vollendung des Parks – und den wollen alle.“

Nördlich des Gleimtunnels will Bauherr Groth jetzige Gewerbeflächen bebauen. 65 Prozent der 708 Wohnungen sind für Mieter, 120 davon will die städtische Gewobag anbieten (ab 6,50 Euro/m2).

Geisel: „Unbestritten macht der private Investor Gewinne, in diesem Fall werden sie aber in die nicht unerhebliche Erweiterung des Mauerparks und den Bau einer Kita fließen.“ Klartext: Wenn im Norden gebaut werden darf, wird dem Park ein 80 Meter breiter Streifen derzeitigen Privatgeländes zugeschlagen. Damit wächst er um 7 auf 15 Hektar.

Diesen Deal zwischen Bezirk und Investor wollen vor allem Anwohner aus Prenzlauer Berg zu Fall bringen, viele bestehen auf 100 Prozent Mauerpark. Beim Bezirk ist schon ganz offiziell ein Bürgerbegehren beantragt. Würde es durchgeführt und mindestens 7.000 Mitte-Bewohner würden unterschreiben, wäre das Projekt zumindest zeitweise gelähmt.

Anders, wenn der Senat zuständig ist. Entweder ist das Bürgerbegehren dann erst gar nicht zulässig oder ohne Folgen – das müssen Juristen noch prüfen. Allerdings könnte es wie bei der gescheiterten Randbebauung in Tempelhof zu einem stadtweiten Volksentscheid kommen.

Geisel: „Das wäre dann die Entscheidung der Berliner dafür, dass die Mietenentwicklung ungebremst weitergeht. Das Ziel des Senats ist ein anderes: Wir brauchen pro Jahr 12.000 bis 15.000 Neubauwohnungen. Sonst werden wir den Zuwachs nicht bewältigen. In den letzten 4 Jahren ist Berlin um die Größe Potsdams gewachsen. Die Zeit, in der wir darüber reden, ob gebaut wird, ist vorbei. Wir brauchen in Berlin ein Neubauklima.“



M A U E R P A R K

Kampfzone Bauland

Der Senat übernimmt die Zuständigkeit für das Neubauprojekt [der Groth-Gruppe] am Mauerpark. Das beschneidet den Einfluss der Bürger, aber verhindert ihn nicht / [Ed: Angesagt sind nun Volksbegehren (mit anschl. Volksentscheid) sowie Normenkontrollklagen gegen den B-Plan (mit Eil-Anträgen zum Erreichen eines Baustopps)].

Aus:
Der Tagesspiegel, Berlin, 6. März 2015, Seite 10 (Berlin) von RALF SCHÖNBALL. Titel und Untertitel sind der Print-Fassung des Artikels entnommen. Dokumentiert ist hier der Text der Online-Fassung mit Zwischentiteln, die dort den Titel trägt "xxxxxx". [Original]

BERLIN (Tsp). (das folgt).



Legal – aber auch legitim?

Fragwürdige Stellenvergabe im Bezirksamt Zehlendorf.

Aus:
Der Tagesspiegel, Berlin, 6. März 2015, 13.16 Uhr MEZ (Zehlendorf-Blog) von DETLEF UNTERMANN. [Original]

STEGLITZ-ZEHLENDORF (Tsp). Ohne Ausschreibung und trotz Haushaltssperre soll Umweltstadträtin Christa Markl-Vieto von den Grünen im Bezirksamt Zehlendorf eine Stelle besetzt und CDU-Bürgermeister Norbert Kopp pikiert haben. Unser Autor hat nachgehakt und interessante Zusammenhänge entdeckt.

Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf ist schon arg gebeutelt. Vor allem wegen maroder Schulen und einem Sanierungsstau in Millionenhöhe dauerhaft im Kreuzfeuer der Kritik versucht sich das Bezirksamt, namentlich Baustadtrat Michael Karnetzki von der SPD, unter anderem mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass man aufgrund der komplizierten Besetzungsverfahren im öffentlichen Dienst eben zu wenig Leute habe. Dass muss irgendwie seine Kollegin, Umweltstadträtin Christa Markl-Vieto von Bündnis 90 / Die Grünen, mitbekommen und sich gedacht haben, das passiert mir nicht. Flugs besetzte sie eine Halbtagsstelle in ihrem Beritt – ohne Ausschreibung und ohne Beteiligung des für Personal zuständigen Abteilungsleiters, Bezirksbürgermeister Norbert Kopp von der CDU.

Dabei trägt der befristete Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin das Datum 12. Dezember 2014. Das ist insofern pikant, als einen Tag zuvor Kopp seine Bezirksstadträte schriftlich darüber informiert hatte, dass ab sofort eine Haushaltssperre gilt. Jedenfalls war der Bezirksbürgermeister so „amused“ über die Personalentscheidung seiner Stadträtin, dass er sie angewiesen hat, den Vertrag keinesfalls zu verlängern.

Ein zusätzliches Geschmäckle hat die ganze Angelegenheit noch dadurch, dass eine der Aufgaben der Mitarbeiterin die Betreuung und Aufsicht über die „Grüne Mitte“ in Lichterfelde-Süd ist. Dort sollen auf dem ehemaligen militärischen Übungsgelände der Amerikaner 2.500 Wohnungen, Kitas, Schulen und Sportplätze für rund 10.000 Menschen entstehen und eine zirka 57 Hektar große Weidelandschaft, eben die „Grüne Mitte“, erhalten bleiben.

Derzeit wird diese Fläche im Auftrag des Investors durch Pferde beweidet, die – genau – die der neuen Mitarbeiterin der Umweltstadträtin sind. Was soll ich sagen? Dem Vernehmen nach soll das Rechtsamt zwar juristisch nichts an dem Vertrag auszusetzen haben. Aber nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Von Political Correctness will ich gar nicht reden.

PS: Der Bezirksbürgermeister teilte auf Anfrage mit: „Da es sich bei den Fragen um Personaleinzelangelegenheiten handelt, sind sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“ — Vielleicht die Antworten, aber die Fragen? Das Vorzimmer der Stadträtin ließ wissen: „Wir werden uns bemühen, auf Ihre Fragen innerhalb der üblichen Frist von 2 Wochen zu antworten.“ — Übliche Frist von 2 Wochen, das hab' ich in all meinen Jahren als Journalist ja noch nie gehört. [UPDATE dazu]



V O L K S B E G E H R E N

Allianz gegen Wucher

Am Dienstag [10.3.2015] startet ein neues Volksbegehren. Diesmal geht es um soziale Mieten.

Aus:
Der Tagesspiegel, Berlin, 9. März 2015, Seite 7 (Berlin). Titel und Untertitel sind der Print-Fassung des Artikels entnommen. Dokumentiert ist hier der Text der Online-Fassung mit Zwischentiteln, die dort den Titel trägt "Soziales Wohnen in Berlin: Volksbegehren gegen hohe Mieten". [Original]

BERLIN (Tsp). Eine Gruppe von Mieterschützern und anderen Aktivisten will am Dienstag [10.3.2015] ein neues Volksbegehren starten. Das Ziel ist ein sozialerer Wohnungsmarkt mit günstigeren Mieten. Bis zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 sollen die Vorbereitungen abgeschlossen sein. Zeitgleich mit der Wahl sollen die Berliner dann über den von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf entscheiden.

Bis dahin muss viel passieren. Am Dienstag will die Gruppe ihr Projekt „Berliner Mieten Volksentscheid“ öffentlich vorstellen. Der Gesetzentwurf, der 52 Paragrafen umfasst, liegt dem Tagesspiegel vor.

Zentrale Ideen sind erstens die Schaffung eines Wohnraumförderfonds, zweitens die Umwandlung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts, drittens die Gestaltung der Miethöhe öffentlich geförderter Wohnungen in Bezug zum Einkommen der Mieter.

Der Wohnraumförderfonds soll ein Sondervermögen des Landes Berlin werden; das Land soll ihn mit Personal und Geld ausstatten. Der Fonds soll dafür sorgen, dass öffentlich geförderte Wohnungen vorhanden sind, dass sie modernisiert und gerecht verteilt werden und dass besonders Geringverdiener nicht verdrängt werden.

Städtische Wohnungsunternehmen sollen zu eigenen Anstalt öffentlichen Rechts werden

Jedes der 6 städtischen Wohnungsunternehmen Degewo, Gesobau, Howoge, Stadt und Land, WBM und Gewobag soll zu einer eigenen Anstalt öffentlichen Rechts werden. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass diese Anstalten dann Tochterunternehmen gründen, um so Baumaßnahmen und Materialbeschaffung für alle gemeinsam zu erledigen. Vorgesehen ist auch, dass Sozialwohnungen, die aus der Förderung gefallen sind, zugekauft werden. In diesen Wohnungen waren die Mieten in den vergangenen Jahren extrem gestiegen.

Die Gestaltung der Miethöhe in Bezug zum Einkommen könnte dazu führen, dass Bewohner desselben Hauses für gleichartige Wohnungen unterschiedliche Mieten zahlen müssten.

Die Initiatoren selbst wollten sich am Sonntag nicht zu dem Projekt äußern. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger unterstützt das Vorhaben. „Wir haben eine Wohnungsnot in Berlin, und sie betrifft vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen“, sagte Schmidberger dem Tagesspiegel am Sonntag. „Das Volksbegehren ist auf jeden Fall gut dafür, eine Debatte darüber zu führen, wie in dieser Stadt eine sozial gerechte Wohnungspolitik aussehen kann.“

Mit Volksbegehren wurden in den vergangenen Jahren einige spektakuläre Erfolge erzielt. So verhinderte die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ 2014 per Volksentscheid die Bebauungspläne des Senats für das Tempelhofer Feld – Aktivisten aus diesem Umfeld sind auch bei dem neuen Projekt dabei. Auch der Berliner Wassertisch war 2011 erfolgreich mit seinem Volksentscheid zur Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe. Für die erste Stufe eines Volksbegehrens werden laut Innenverwaltung 20.000 Unterschriften benötigt, für die zweite gut 170.000.



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